Evolutionstheorie
Grundzüge und Begrifflichkeit
Die Evolutionstheorie dient in abstrakter Fassung ganz allgemein zur Erklärung von Phänomenen sich anpassender Entwicklung. Aufgrund ihres über diverse Wissenschaftsgebiete ausgreifenden Charakters wird sie in ihrer heutigen, modifizierten Form auch "synthetische Evolutionstheorie" genannt (Segler, 1985: 88).
Werke zur soziologischen Evolution lassen sich schon seit jeher ausmachen; Nisbet nennt Aristoteles, Augustinus, Rousseau, Condorcet, Turgot u.a., die sich schon lange vor Darwin mit Prozessen der Anpassung auf sozialen Gebieten befaßten (Hayek, 1980: 38/39; Nisbet, 1969, S. 161 nach Hettlage, 1982: 111). Im Zuge der Aufklärung finden sich vermehrt Werke über Mechanismen der menschlichen Entwicklung; zu nennen sind insbesondere David Hume, Adam Smith, Adam Ferguson und Bernhard Mandelville, die ein evolutionstheoretisches Modell der Entwicklung von Sprache und von gesellschaftlichen Institutionen skizzierten (Segler, 1985: 93).
Als eigentliche Ausgangsbasis wird allerdings Charles Darwins Werk "Origin of Species" (1895) gesehen, in welchem Darwin anhand einer Fülle von Materialien die Mechanismen der biologischen Evolution herauszufinden sucht. Darwins Theorie beruht auf der Kombination zweier unterschiedlicher Prozesse, dem Prozess der Variation und dem Prozess der Selektion (Hettlage, 1982: 110). Im wesentlichen besteht der Evolutionsprozess der (synthetischen) Evolutionstheorie aus fünf Komponenten (Hasenfuß, 1982: 308 ff.; Junker, Scherer, 1988, nach Kieser, 1995: 238):
(1) Die Population, und nicht das einzelne Individuum, ist die Analyse-Einheit; die Population besitzt einen gemeinsamen Genpool, der alle Eigenschaften enthält, mit deren Hilfe die einzelnen Individuen Lösungen von Umweltproblemen generieren. Zu beachten ist, daß ein einzelnes Individuum lediglich über einen Teil des Genpools verfügt.
(2) Sprunghafte ungerichtete Mutationen vergrößern den Genpool.
(3) Individuen besitzen das Potential der Selbstreplikation oder Reproduktion, unter Umständen werden dabei die Eigenschaften von zwei Individuen kombiniert. Neben den Mutationen, die auf diesem Weg zum tragen kommen, eine weitere Ursache von Variation.
(4) Die gerichtete Änderung des Genpools entsteht durch Selektion im "Kampf ums Dasein", in welchem sich statistisch die Individuen durchsetzen, die Eigenschaften aufweisen, welche den jeweiligen Umweltbedingungen besser gerecht werden. In diesem Prozess der Selektion tritt also die (sich wandelnde) Umwelt als "Zensor" auf (Hettlage, 1982: 110).
(5) Die Bildung neuer Arten (Prozess der Speziation) erfolgt nach einer räumlichen Separierung. Die getrennten Gruppen passen sich ihren jeweiligen (unterschiedlichen) Umweltbedingungen an, abgeschlossen ist der Prozess, wenn keine fruchtbare Paarung zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Gruppen mehr möglich ist (genetische Isolatin).
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