Modifikation Darwins
Widerlegung des "Arithmetischen Arguments"

Bisher erfolgte die Argumentation Kropotkins gegen den Sozialdarwinismus über Beobachtung und Sammlung von Daten, auf induktive Weise, die mathematische Deduktion des hobbesschen Daseinskampfes erfolgte damals jedoch hauptsächlich durch das schon erwähnte von Malthus entlehnte "Arithmetische Argument"; in diesem kann Kropotkin allerdings keinen Beweis für eine fortwährende Konkurrenz erkennen.

"Wir können ebensogut eine Anzahl Dörfer im südöstlichen Rußland nehmen, deren Einwohner sich einer Fülle von Nahrung erfreuen, aber nicht die geringsten hygienischen Einrichtungen haben; wenn wir nun sehen, daß während der letzten achzig Jahre die Geburtsziffer sechzig von tausend war, während die Bevölkerung heute ist, was sie vor achzig Jahren war - würden wir daraus den Schluß ziehen: hier muß eine mörderische Konkurrenz unter den Einwohnern stattgefunden haben? Die Wahrheit ist, daß von Jahr zu Jahr die Bevölkerung stationär blieb, aus dem einfachen Grunde, weil ein Drittel der Neugeborenen starb, bevor sie sechs Monate alt waren; die Hälfte starb innerhalb der nächsten vier Jahre, und von je hundert Geburten erreichten nur etwa siebzehn das Alter von zwanzig Jahren. [...] Es ist klar, daß dasselbe, was bei den Menschen der Fall ist, noch mehr bei den Tieren zutrifft (Kropotkin, 1993: 77)."

Die schwerwiegendste Ursache für stagnierende Populationen besteht für Kropotkin in "natürlichen Hemmnissen", wie Krankheiten und klimatischen Schwankungen und nicht in der Konkurrenz innerhalb einer Spezies um Ressourcen. Als Beispiel führt er u.a. die rasche Vermehrung der Pferde und Rinder in Nordamerika an, die beweise, daß trotz der zahllosen Büffel und anderer Wiederkäuer die Bevölkerung weit unter dem geblieben sei, was die Steppe ernähren konnte (Kropotkin, 1993: 78 ff.). Die Ressourcen seien in der Regel nicht so knapp, daß sich die einzelnen Individuen darob bekriegen müßten; was der eine konsumiert, müsse nicht dem anderen genommen werden. Durch Kooperation könnten die Individuen gewinnen, etwa, wenn sie in gemeinsamer Jagd mehr erbeuteten als die Summe der Beute getrennt jagender Individuen ergebe. Heutzutage würde man in Vokabeln der Spieltheorie zu dieser Argumentation Kropotkins sagen: Er möchte beweisen, daß es sich beim Daseinskampf nicht um ein "Null-Summen-Spiel" handelt.
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