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Die
Intelligencija als Träger westeuropäischen Denkens |
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Aus dieser politischen Situation
ergab sich die spezifische Struktur und Mentalität der Intelligencija: Die
enge Verbindung von Zar und Kirche, die schlechten Erfahrungen mit der
starren, zentralen Verwaltung, führten zu einer völligen Ablehnung
jeglicher Autorität. Daraus resultierte einerseits eine Abwendung von der
Kirche und andererseits eine begeisterte Aufnahme der Methoden des
Materialismus und Rationalismus aus Westeuropa, da man die
Naturwissenschaften objektiv und bar jeglicher autoritären Einflüsse
wähnte.
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In
Westeuropa war auf die Romantik eine neue Aufklärung gefolgt, welche
das Geistesleben des 19. Jhd. weithin dominierte. Sie stellte die
Wissenschaften - vor allem die Naturwissenschaften und die ihr folgende
Technik - in den Mittelpunkt des menschlichen Interesses und entwickelte
sich schließlich zu einem reinen Materialismus (Stökl, 1983: 568, 571;
Moeller, 1939: 202). Die Übernahme dieser westeuropäischen Ideen
erfolgte in Rußland bemerkenswert unkritisch, in quasi gläubiger
Geisteshaltung, wobei das Dogma der Wissenschaften das Dogma der Kirche
lediglich ersetzte. In der Literatur finden sich dafür Begriffe wie
"naturwissenschaftlicher Obskurantismus" oder "radikaler
Szientismus" (Stökl, 1983: 571; Moeller, 1939: 202). |
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Den
Angehörigen der Bildungsschicht, die häufig bei Auslandsaufenthalten
mit den westeuropäischen Verhältnissen Bekannschaft gemacht hatten,
bot sich keine Möglichkeit, an der Gestaltung ihres Landes mitzuwirken,
da der Zar sich seit dem Dekabristenaufstand weigerte, diese im
Staatsdienst zu beschäftigen (Seton-Watson, 1954: 19). Die
Intelligencija wurde nicht nur nicht integriert sondern regelrecht
verfolgt, insbesondere durch die schon erwähnte "III.
Abteilung". Durch die staatlichen Diskriminierungen und
Verfolgungen nahm die Organisation der Intelligencija ordensverwandte
Züge an; zahlreiche Geheimzirkel entstanden in der damaligen Zeit
(Hellmann, 1973: 226; Stökl, 1983: 569). |
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In
der Mitte des vorigen Jahrhunderts waren ca. ¾ Der Bevölkerung
Rußlands ungebildete Bauern, größtenteils Leibeigene ohne eigene
Rechte. Dementsprechend war die zentrale Frage der Intelligencija die
der Leibeigenschaft; eine Frage untrennbar verknüpft mit der Frage der
Freiheit der Persönlichkeit (Straube, Zeil, 1978: 144). In diese Zeit
fällt die "Entdekung" der russischen Dorfgemeinschaft (Mir),
in welcher die Leibeigenen gemeinschaftlich über Verteilung von Land,
Gütern und Steuerlast entschieden (Seton-Watson, 1954: 20; Mette, 1949:
207). |
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