Modifikation Darwins
1888 erschien Thomas H. Huxleys ("Die Bulldogge Darwins") Manifest des Sozialdarwinismus "The Struggle for Existence"; die (damals) weit verbreitete Überzeugung "der Mensch ist dem Menschen ein Wolf" bekam ihre quasiwissenschaftliche Fundierung (Hug, 1989: 14). Die englischsprachige Orginalausgabe von Kropotkins "Mutual Aid - A Factor of Evolution" aus dem Jahre 1902 war ursprünglich als Erwiderung auf Huxley gedacht (Kropotkin, 1993: 8). Kropotkin versucht im Gegensatz zu Huxley und Spencer gegenseitige Hilfe - Mutual Aid bzw. Kooperation - als ein wichtiges Entwicklungsmoment darzustellen und die Auffassung des "Kampfes ums Dasein" der Sozialdarwinisten zu widerlegen.

Er beruft sich hierbei durchaus auf die Autorität Darwins indem er betont, daß Darwin selbst schon die Wichtigkeit sozialen Verhaltens in der Evolution erkannt habe und keineswegs die Natur in einem permanenten Kampf wähnte (Kropotkin, 1993: 73). Tatsächlich ist es so,

"daß [Darwin] die Bezeichnung 'Kampf ums Dasein' in einem weiten metaphorischen Sinne gebrauch[t], der die Abhängigkeit der Wesen von einander, und was noch wichtiger ist: nicht nur das Leben des Individuums, sondern auch seine Fähigkeit, Nachkommen zu hinterlassen, mit einschließt (Darwin, 1963: 101)."

Zur Bedeutung von sozialem Verhalten bei Darwin schreibt Kropotkin:

"Er legte dar, wie in zahlreichen Tiergesellschaften der Kampf um die Existenzmittel zwischen den einzelnen Individuen verschwindet, wie der Kampf ersetzt wird durch Zusammenwirken, und wie dieser Ersatz schließlich zu der Entwicklung der geistigen und moralischen Fähigkeiten führt, die der Art die besten Bedingungen des Überlebens sichert. Er betonte, daß die Geeignetsten in solchen Fällen weder die körperlich Stärksten noch die Listigsten seien, sondern solche, die gelernt haben, sich so zu verbinden, daß sie sich, ob stark oder schwach, gegenseitig unterstützen, um des Wohles der Gemeinschaft willen [...] Unglücklicherweise aber wurden diese Bemerkungen, die die Grundlage höchst fruchtbarer Forschungen hätten abgeben können, durch die Massen von Tatsachen überschattet, die gesammelt waren, um die Folgen eines wirklichen Kampfes ums Dasein zu illustrieren (Kropotkin, 1993: 23)."

Kropotkin stellt fest, daß die Nachfolger von Darwin, obwohl sie sich Darwinisten nannten, dessen Theorie oft einseitig und verfremdend perzipierten, und so erst die seine Zeit dominierende Version des Sozialdarwinismus entstehen konnte :
"Es ging mit Darwins Theorie, wie es allen Theorien geht, die irgendwie sich auf menschliche Einrichtungen beziehen. Anstatt sie seinen eigenen Winken entsprechend zu erweitern, haben sie seine Nachfolger noch enger gemacht. Und während Herbert Spencer der auf eigenen, aber dicht benachtbarten Bahnen ging, den Versuch machte, die Untersuchung zu der großen Frage zu erweitern: Wer sind die Geeignetsten? - besonders im Anhang der dritten Ausgabe der Tatsachen der Ethik, währenddessen drückten die zahlreichen Nachfolger Darwins den Begriff des Kampfes ums Dasein möglichst eng zusammen. Sie gelangten schließlich dazu, sich das Reich der Tiere als eine Welt fortwährenden Kampfes zwischen halbverhungerten Individuen vorzustellen, jedes nach des anderen Blut dürstend. Die moderne Literatur wiederhallte vom Kriegsruf: "Wehe den Besiegten" (Kropotkin, 1993: 24)."
Mutual Aid im Tierreich
Widerlegung des "Arithmetischen Arguments"
Eingeschränkte Selektion durch Mutual Aid
ZURÜCK WEITER